Der Riskante Schritt

Nach unserem etwas enttäuschenden Aufenthalt in Lima und Punta Hermosa musste früher oder später ein Ort der Entspannung folgen, der ein wenig mehr von der wahren Schönheit dieses Landes preiszugeben vermag. So will es der Rhythmus des Lebens. Diesen Ort fanden wir in Lunahuana.

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Foto: Kataleya von Rosenberg | Bearbeitung: https://pkfotografie.com

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Foto: Kataleya von Rosenberg | Bearbeitung: https://pkfotografie.com

Eingebettet in kahle, steinige Berge liegt dieses kleine Dorf am Ufer eines breiten, mit zahlreichen Stromschnellen versehenen Flusses. Hier fanden wir auch was wir die letzten Tage so sehr vermisst hatten. Die Farbe Grün! Es gab Bäume, Büsche und echtes Gras. Dazu sollte man wissen, dass es an der Westküste Perus wohl nicht einen einzigen natürlich wachsenden Grashalm gibt. Der sich am Wasser entlang hangelnde Streifen des Landes ist staubig, sandig und trocken und somit für farbenfrohes Leben eher ungeeignet. Je weiter man jedoch ins Landesinnere, in Richtung Osten vordringt, umso grüner und facettenreicher soll es werden. Unseren ersten Vorgeschmack hiervon bekamen wir also in Lunahuana, dass sich gerade mal 50 km in Richtung Landesinnere befindet. Mit jedem Kilometer schien man dem heiß ersehnten Grün etwas näher zu kommen. Die kleinen Busse in denen man sich hier hauptsächlich fortbewegt werden Mikros oder Collektivos genannt. Man steigt ein und aus wo und wann man will und ist man weder der Gegend noch der Sprache wirklich mächtig, dann reicht dem Fahrer auch ein etwas dahingebrökelter Ortsname aus, um einen ans gewünschte Ziel zu bringen. So auch in unserem Fall. Die Worte Lunahuana und Camping reichten vollkommen, um den Fahrer klar zu verstehen zu geben, dass er uns doch bitte nach Lunahuana auf einen Campingplatz seiner Freunde bringen möge, um sich so auch noch ein paar „Sol“ extra dazu zu verdienen. Aber eine Hand wäscht ja bekanntlich die andere. Zu unserem Nachteil war es auf keinen Fall, da wir tatsächlich die einzigen Gäste auf dem Campingplatz waren. Erst später sollten wir herausfinden, dass wir im gesamten Ort die einzigen Campingtouristen waren. An dieser Stelle ist es notwendig zu erklären, dass Lunahuana normalerweise eine wahre Touristenhochburg ist. Zu allgemeiner Bekanntheit verhalf der Stadt ihr Fluss, welcher durch seine zahlreichen Stromschnellen einen schon fast zum Wildwasserrafting zwingt. Und da die klimatischen Bedingungen es auch dem Gras gestatten zu wachsen wimmelt es hier von zwei Dingen. Raftinganbietern und Campingplätzen. Nun hätten zwei einsame Reisende die Qual der Wahl zwischen zirka 20 leerstehenden Campingplätzen und doppelt so vielen Raftinganbietern gehabt.

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Foto: Kataleya von Rosenberg

Aber zum Glück hat uns der nette Taxifahrer diese Entscheidung gleich zu Beginn abgenommen. Und so stand nun unser Tipi Zelt einsam und verlassen auf einem leeren Campingplatz umringt von kahlen Bergen. Unser Glück zu diesem Zeitpunkt war schlicht und einfach, dass die Touristensaison gerade geendet hatte und uns der Trubel, ausgelöst durch große Menschenmassen und das Aufeinanderprallen unterschiedlichster Kulturen, völlig erspart geblieben ist.

Schon kurz nach unserer Anreise jedoch sollte uns die berühmte Kehrseite einer jeden Medaille in buchstäblich einstechender Weise klar werden. Denn wo sich Wasser und die Farbe Grün vereinen kann eine Kreatur nicht weit entfernt sein. Wahrlich geschaffen im Schlund des Teufels selbst ist diese erbarmungslose Kreatur der Feind eines jeden Campers. „Ach Moskito du mein größter-kleinster Feind. Würdest du dich von mir nur halb so gut bestechen lassen, wie ich mich von dir stechen lasse, dann könnten wir durchaus gute Freunde werden. Jedoch sehe ich im Angesicht deiner Unbestechlichkeit gepaart mit meiner Stechlichkeit einzig und alleine die Chance auf eine gute Feindschaft.“ Das soll mir jedoch nicht zum Groll werden, da ich mich doch viel lieber von einem guten Feind als von einem guten Freund in den Rücken gestochen sehe. Fakt ist: in Lunahuana liegt das reguläre Verhältnis von Moskito pro Quadratzentimeter Haut während der Touristensaison bei ca. 1 zu 50. Das bedeutet schlappe 100 000 Moskitos pro Person. Viel, aber auszuhalten. Doch jetzt, da alle Touristen diesen grünenden Ort verlassen hatten, musste eine zwangsläufige und naturgemäße Umverteilung dieser blutsaugenden Masse in Richtung der zwei einzig verbliebenen und dazu noch frisch gelieferten Lunchpakete geschehen. Sprich… in Richtung Kataleya und mir. Und da anscheinend auch alle umliegenden Dörfer an akutem Touristenmangel litten, was jene dort lebenden Moskitos in einen chronisch unterernährten Zustand versetzte, schienen es die uns umgebenden Moskitos für eine gute Idee gehalten zu haben ihre Verwandten und Bekannten, ihre Freunde und die Freunde der Freunde und eigentlich alles und jeden was einen hungrigen Stachel und flinke Flügel besaß zum vielleicht letzten Festmahl der Saison einzuladen, bevor man zum altbekannten Blut der einheimischen zurückkehren müsse, dessen man als erfahrener Feinschmecker Moskito natürlich schon längst überdrüssig war. Infolge dieses Umstandes lag das Mensch-Mücke-Verhältnis jetzt bei grob geschätzten Eins zu Dreißig Quadrilliarden, was nicht nur unseren Gemütszustand, sondern auch unsere blutproduzierenden Körpermechanismen an ihre Grenzen brachte. Und auch wenn, wie schon eingangs erwähnt, der Moskito durch seine Tugend der Unbestechlichkeit hervorsticht, so gab es doch eine Sache die noch verlockender war als mein frisches Blut. Das frische Blut meiner Partnerin! Gott sei gedankt für die süße Weiblichkeit an meiner Seite! Nachdem wir die weltweit verbreitetste und anerkannteste Moskitoabwehrtechnik, genannt «Wildes-in-der-Gegend-Herumfuchteln», in allen uns bekannten Varianten ausprobiert hatten und kläglich damit scheiterten, entschieden wir uns für das Gegenteil dieser Technik. Dem «Gelassenen-Akzeptieren-des-Unvermeidbaren». Und tatsächlich verschaffte es uns zumindest psychisch und emotional große Erleichterung.

Diese Gemütsprobe also halbwegs gut gemeistert, machten wir uns auf den Weg die umliegende Gegend zu erkunden. Dazu gehörte der Besuch eines mitten im Berge liegenden Aussichtspunkt, sowie einer alten Inkaruine, welche zurzeit Stück für Stück von fleißigen Einheimischen in mühevollster Kleinstarbeit freigelegt wird.

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Foto: Kataleya von Rosenberg | Bearbeitung: https://pkfotografie.com

Der Weg des Aufstiegs in diese Gefilde war gänzlich mit Sand, Staub und Geröll gepflastert. Diese kleinen, miesen, hinterlistigen Steinchen waren zum Teil so scharfkantig, dass man unter normalen Umständen um die Unversehrtheit seiner teuren Schuhe hätte Angst haben müssen. Zu unserem großen Glück jedoch ließen wir unsere Schuhe in weiser Voraussicht zu Hause und bestiegen jenen Pfad barfuß. Nicht auszudenken was sonst alles hätte schiefgehen können. Während wir uns also unseren Weg mit der notwendigen Bewusstheit und Vorsicht durch dieses Geröllfeld bahnten, war ein Gedanke, ein Wort, mein ständiger Begleiter auf Schritt und Tritt.

Risiko!

Ich hatte im vorhergehenden Beitrag  „Der Erste Schritt” bereits erwähnt, dass Risiko ein integraler Bestandteil eines jeden ersten Schrittes ist und das trotz aller Planung immer etwas ungeplant und damit risikobehaftet bleiben muss. Das Barfußgehen führt einem diese Tatsache ständig vor Augen. Besonders im unbekannten und unwegsamen Terrain bekommen wir Risiko auch ganz physisch zu spüren. Wenn wir unsere Komfortzone „Schuh“ verlassen und bislang unbestrittene Pfade betreten gehen wir ganz bewusst ein Risiko ein. Schlagartig werden wir mit einer Vielzahl unserer innersten Ängste in Verbindung gebracht, die uns zuvor durch den äußeren Schutz des Schuhs nie bewusst geworden sind. Die Angst vor dem sogenannten Fehltritt, dem schmerzvollen Schritt, dem fremden Schritt oder sogar dem tödlichen Schritt sind allgegenwärtig. Wir befürchten aus Versehen auf einen losen Stein treten zu können, sodass uns buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Wir befürchten auf etwas Spitzes zu treten und uns schmerzlich verletzen zu können. Aus diesem Grund befürchten wir auch die Schritte fremder Menschen, aus Angst sie könnten uns auf die Füße treten. Und zu guter Letzt fürchten wir uns sogar vor der Möglichkeit durch den Tritt auf ein giftiges Tierchen oder durch das Abrutschen an einem steilen Felshang oder die Infektion einer Wunde sterben zu können.

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Foto: Kataleya von Rosenberg | Bearbeitung: https://pkfotografie.com

Zugegeben hat jede einzelne dieser Ängste ihre Daseinsberechtigung. Jedoch besteht ein riesiger Unterschied zwischen dem «Sich-einer-Angst-Gewahrsein» und dem «Sich-einer-Angst-beugen». Wenn wir uns einer Angst gewahr sind und versuchen uns ganz objektiv mit ihr auseinanderzusetzen, dann gehen wir der Angst auf den Grund. Das heißt, wir ergründen sie. Wir suchen den Grund dieser Angst. Und der Grund einer jeden Angst heißt immer Risiko. Gäbe es kein Risiko, keine Ungewissheit, dann hätte Angst keinen Nährboden zur Entstehung. Selbstverständlich ist es hochgradig subjektiv was ein Mensch für sich selbst als risikoreich oder sicher einstuft.

Eines der für mich eindrücklichsten Beispiele bezüglich der subjektiven Wahrnehmung von Sicherheit und Risiko ist der aller Orts bekannte, sogenannte «Flipflop-Träger». Das Schuhwerk seinem Typ anpassend ist der «Flipflop-Träger» ein sehr offener Zeitgenosse, der gerne mal irgendwo abhängt. Er genießt den ungezwungenen Kontakt zur Umwelt und zu seinen Mitmenschen. Ganz im Gegenteil dazu steht der «Schnürschuh-Träger», dessen hermetisch versiegelte Fußfestung seine ebenso dicht verschlossene Aufnahmebereitschaft für neue bzw. andere Ideen widerspiegelt. Denn auch hier muss eine naturgemäße Anpassung von Schuhtyp und Persönlichkeit vor sich gehen, wodurch der Eindruck entstehen könnte, dass das kräftige Abschnüren des Fußes sich zeitgleich auch am Halse dieses Menschen vollzieht. Noch dramatischer wird es bei jenen hochgeachteten Personengruppen, die zusätzlich zum Schnürschuh auch noch stolze «Schlipsträger» sind. Hier kommt zum symbolischen Abschnüren der Hirndurchblutung auch noch das ganz aktive «Sich-Aufknüpfen» hinzu. Oft verbringen sie den Großteil ihrer kostbaren Zeit in den angeblich unverzichtbaren und ebenfalls hermetisch abgeriegelten Büroanlagen, wodurch Fuß und Geist auch noch die letzte Möglichkeit auf etwas frische Luft versagt bleibt. Zur Verteidigung aller dort gezüchteten Bürohengste und Bürostuten ist jedoch zu sagen, dass das Tragen ihres speziellen Schuhtyps an diesem Ort unumgänglich ist. Denn der aus künstlicher Lederhaut hergestellte, leicht zu reinigende und vorne oft spitz zulaufende Büroschnürschuh erleichtert jedem Träger die zwei, in Büroanlagen stattfindenden, unabdingbaren Hauptaktivitäten des Erfolgs. Auf der einen Seite das «Kräftige-In-den-Arsch-Hineintreten» (wobei dies natürlich nie der eigene Arsch sein darf). Und auf der anderen Seite das «Behutsame-In-den-Arsch-Hineinkriechen» (was ebenfalls für größtmögliche Effektivität an fremden Ärschen praktiziert werden sollte). Nach langjähriger intensiver Beobachtung bestimmter Verhaltensweisen der «Schnürschuh-Schlipsträger» muss jedem vernünftigen Menschen klar werden, dass die Kombination Schnürschuh + Schlips eine besonders toxische Wirkung auf jene Hirnregionen zu haben scheint, welche unter natürlichen Bedingungen für die Akzeptanz des Andersartigen zuständig wären. Wo also der offene «Flipflop-Träger» beim Erblicken zweier sich barfuß fortbewegender Individuen seine Verwunderung in Form einer Frage auszudrücken vermag, dort reicht es beim «Kameraden Schnürschuh-Schlips» einzig und allein zum weitaus verbreiterten «Fremdschäm-Kopfschüttler». Aber so entscheidet wohl jeder selbst, welcher Welt er sich öffnet und gegenüber welcher er sich verschnürt.

Doch ich schweife ab. Wir waren bei der Subjektivität von Risiko und Sicherheit stehen geblieben und wie sich diese Einstufung von Mensch zu Mensch unterscheidet. Hier kommt jetzt also unser lieber «Flipflop-Träger» ins Spiel, der beim (seinem Schuhwerk entsprechenden) täglichen Abhängen zufällig einen Barfüßler erspäht. Das Erblicken des Fremdartigen löst beim offenen «Flipflop-Träger» das Gefühl Neugier aus, welches wiederum zum Impuls des «Kennenlernen-Wollens» führt.
Beim Kamerad «Schnürschuh-Schlips» würde das Erblicken des Fremdartigen nur das Gefühl Unbehagen auslösen und zum Impuls des «Sich-Abwenden-Wollens» führen.
Beim bis dato unerwähnt gebliebenen Kamerad 
«Stahlkappenstiefel» würde das Erblicken des Fremdartigen das Gefühl Angst auslösen (welches von jenen Zeitgenossen fälschlicherweise als das Gefühl Abscheu interpretiert wird) und damit unweigerlich zum Impuls des «Kaputtschlaaaan-Wollens» führen. Ach wie sehr unser Schuhwerk doch Spiegel unseres Lebenswerkes sein kann.


Ach wie sehr unser Schuhwerk doch Spiegel unseres Lebenswerkes sein kann.


Doch da schwiff’s mir doch schon wieder ab. Der «Flipflop-Träger» erblickt also den Barfußgehenden und spricht ihn neugierig an. Dieser erste Kontakt ist psychologisch sehr aufschlussreich, da die meisten Menschen die Unterhaltung immer mit dem Preisgeben ihrer eigenen Ängste beginnen.

„Wow, ihr lauft barfuß… habt ihr keine Angst in Glasscherben zu treten? … in Hundescheiße zu treten? … auf Nägel, Stöcke, Steinchen, Bienchen, heißen Asphalt oder einen Dackel zu treten? …auf den Fuß getreten zu werden? … Ist das nicht zu kalt? … Stört Euch der Dreck an Euren Füßen gar nicht?“

Aus eigener Erfahrung beginnen 90% aller Konversationen über das Barfußlaufen immer mit den Ängsten, Sorgen und Bedenken der anderen Menschen. Und in diesem Zusammenhang finde ich es immer wieder unglaublich ermunternd, wenn sich uns ein «Flipflop-Träger» nähert und uns allen Ernstes fragt, ob wir gar keine Angst davor hätten uns könne etwas auf den Fuß fallen! Ein Mensch, dessen Oberseite des Fußes zu 99% unbedeckt ist fragt uns, ob wir nicht Angst vor einem herabfallenden Gegenstand hätten! Leider ist mir noch keine Antwort eingefallen, die dumm genug wäre um adäquat auf diese Frage antworten zu können. Und weil ich weiß, dass es einfach nur ein lieb gemeinter Kontaktversuch ist, bleibt es meist beim simplen „Nein, hast du denn Angst davor?“

Ausgesprochen weit verbreitet ist erstaunlicherweise die Angst in Scheiße zu treten. So als wäre zum einen jede Straße sorgsam damit beschichtet und zum anderen ein zu jeder Seite offener Flipflop eine Garantie gegen das Nichteindringen dieser größtenteils tierischen Hinterlassenschaft wäre. Zugegeben spielen hier natürlich Volumen und Konsistenz des Häufchens eine wesentliche Rolle.

Was ich durch jähes Verwinden meiner Gehirnzellen so bildlich, vollkommen übertrieben und etwas humorvoll versuche darzustellen ist folgender Punkt: Egal ob du Flipflops, Sandalen, Turnschuhe, High Heels, oder lederne Anzugschuhe trägst….

Risiko ist Dein ständiger Begleiter! Ab dem Ersten Schritt!

Es ist eine Illusion zu glauben, dass das Millimeter dünne netzartige Gewebe deines Turnschuhs ein adäquater Schutz gegen eine herabfallende volle Glasflasche wäre. Auch die zwei Millimeter dünne Schaumstoffsohle eines Billigflipflop reicht nicht aus, um den kleinen, miesen, spitzen Nagel davon abzuhalten Deinen Schuh und Deine Fußsohle zu passieren. Denn was spitz genug wäre eine gut ausgebildete Fußsohle zu verletzen, dass ist auch spitz genug in die dünne Sohle eines Flipflops und die dazugehörige untrainierte Fußsohle einzudringen.
Risiko folgt uns also auf Schritt und Tritt. Doch das haben wir jedoch durch den Rückzug in den Schuh scheinbar vollständig vergessen. Es wird uns erst dann bewusst, wenn wir etwas Neues, wie z.B. das Barfußlaufen ausprobieren.

Barfuß zu gehen bedeutet für uns den symbolischen Austritt aus unserer Komfortzone. Und es ist eben jener Erste Schritt, heraus aus scheinbar schützender Umgebung, bei dem wir zum ersten Mal wirklich auf unseren eigenen Füßen stehen. Ohne Polster, Umhüllungen oder doppelten Boden. Hier fühlen wir uns ungeschützt, nackt, verletzlich, angreifbar. Unsere Fußsohle fühlt sich an wie rohe Haut. Jedes kleine Steinchen und jede Unebenheit zwickt und schmerzt. Wir schleichen dahin auf unserem Weg zum Ziel. Krampfhaft versuchend den Tücken des Lebens auszuweichen. Wir haben das Gefühl auf diese Art und Weise niemals unser Ziel zu erreichen. Wir wollen zurück! Zurück in unseren Schuh. Zurück in unsere Komfortzone. Doch zurückzugehen bedeutet Fortschritt für Stillstand aufzugeben. Es bedeutet die eigenen Schritte gegen fremde Schritte einzutauschen. Und all das nur, um uns des unangenehmen Gefühls des Risikos und der daraus resultierenden Ängste zu entziehen. Dabei sollten wir uns alle einem der größten Irrglauben unserer Zivilisation bewusst werden. Nämlich das unser Leben, unser ganz stinknormales, heimisches, komfortables Leben, in irgendeiner Art und Weise sicher wäre. Prozentual gesehen hat ein Mensch die höchste Wahrscheinlichkeit in seinem eigenen Haushalt einen Unfall zu erleiden. Der größte Teil unserer Bevölkerung stirbt in ihrem eigenen Bett. Und mittlerweile wissen wir alle, dass Fliegen um ein Vielfaches sicherer ist als Autofahren. Doch wer von uns zittert beim Betreten seiner eigenen vier Wände? Wem schaudert es beim zu Bett gehen? Wer klappert auf dem Weg zur Arbeit? Keiner! (Außer Pinocchio und der Storch) Doch wehe dem wir müssen das sicherste Verkehrsmittel der Welt besteigen, um in den Urlaub zu fliegen. Da wird das Zittern oft so groß, dass wir jedem Epileptiker Konkurrenz machen könnten.

Wir müssen beginnen uns der Illusion der Sicherheit bewusst zu werden. Nichts in diesem Leben ist sicher. Weder das Wäschewaschen noch das zur Arbeit fahren noch das Wandern in den besten Schuhen. Immer und überall gehen wir ein Risiko ein. Egal ob barfuß oder mit Schuhen. Denn das ist es, was Leben bedeutet. Risiko! Leben ist Risiko. Das Problem ist nur, dass wir diesen Umstand im Schutz unsere Komfortzone immer wieder vergessen. Vielleicht weil uns die Last des allgegenwärtigen Risikos als unerträglich erscheint. Wir ziehen uns zurück in unser Schneckenhäuschen (in unseren Schuh) und leben in der süßen Lüge, dass wir nun vor fremden Schritten geschützt wären. Wie ein kleines Kind beim Verstecken spielen schlagen wir uns die Hände über den Augen zusammen im Irrglauben, dass das was wir nicht sehen können uns ebenfalls nicht sieht.

Doch allzu oft wird die Schnecke in ihrem Häuschen zerdrückt, eben weil sie sich nicht traute weiter zu kriechen. Und noch viel öfter findet uns das Risiko, egal wie sehr wir vor ihm unsere Augen verschließen und uns zurück in unserer Komfortzone verkriechen.

An diesem Punkt will ich ein Gedankenexperiment wagen. Lasst uns die Basis unseres Körpers, die Füße, mit der Basis unseres Seins, der Seele, gleichsetzen. Zusätzlich können wir unsere Schuhe als künstliche und illusionäre Komfortzone betrachten. Wenn wir diesem Bild folgen, dann lässt sich die Essenz wahren Fortschritts hervorragend erklären.

Füße = Seele                  Schuhe = Komfortzone

Immer dann, wenn wir Schuhe tragen schirmen wir unsere Füße vor dem Leben ab. Wir gehen zwar einen Weg, aber unsere Füße bleiben von diesem Weg vollkommen unberührt. Durch äußeren Schutz und äußere Sicherheit wird dem Fuß, samt seinen Sehnen und Bändern, seinen Muskeln und Knochen und im Speziellen seiner Sohle, keine Chance zur Stärkung gegeben. Die gesamte Struktur bleibt in ihrem Anfangsstadium stehen. Sie bleibt schwach und verwundbar und bekommt nie die Möglichkeit ihr wahres Potential zu entfalten. Es gibt zwar einen äußeren „Fortschritt“, doch im Inneren des Schuhs herrscht Totenstille. Während wir uns in der Welt fortbewegen, steht die Entwicklung des Fußes im besten Falle still. Im schlimmsten Falle entwickelt er sich sogar zurück.
Genauso ergeht es auch unsere Seele, wenn wir uns nicht trauen die eigenen Ängste und Sorgen, sowie die Ängste und Sorgen unserer Eltern, Verwandten, Freunde, Bekannte und dem Rest der ganzen Welt hinter uns zu lassen und auf eigenen Füßen nach vorne zu schreiten.


Wenn wir den Schutz unserer Komfortzone nicht verlassen, versagen wir unserer Seele jede Chance auf Entwicklung.


Das Abschirmen unsere Seele von Risiko bedeutet das Abschirmen unserer Seele vom Leben. Wir lassen ihr keine andere Wahl, als zu verkümmern. Wir ersticken unsere Seele in unserem Bedürfnis nach Sicherheit, genauso wie wir unsere Füße in unseren Schuhen ersticken. Und das Schlimmste an der ganzen Sache ist folgendes:

Immer-dann-wenn-Du-Dir-einen-Schuh-überstreifst-stirbt-Deine-Fußspur!

Foto: Kataleya von Rosenberg | Bearbeitung: https://pkfotografie.com

Immer dann,
wenn Du Dir einen Schuh überstreifst,
stirbt Deine Fußspur!


 

Immer dann, wenn Du aus Angst ein fremdes Leben lebst, stirbt Dein eigener Lebensweg. Tausend Menschen laufen in Ihren Schuhen durch die Welt und hinterlassen ein und den selben Abdruck in ihr…

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Foto: Kataleya von Rosenberg | Bearbeitung: https://pkfotografie.com

Doch einer scheißt aufs Risiko
Sein Werke will er weben.

Nur diese Fußspur wird es sein
Die einprägt sich ins Leben.

 

Jeder von uns hat die Möglichkeit seinen Abdruck zu hinterlassen, wenn wir uns wagen den Ersten Schritt zu gehen, während wir dem Risiko lächelnd in die Augen sehen.  Denn eines ist Fakt: Ob stehend oder gehend, das Risiko findet Dich! Die Frage ist nur:

Wie möchtest du, lieber Leser, gefunden werden?

Den Spuren der Massen und der Allgemeinheit folgend, was seelisches Stillstehen bedeutet? Oder gehend, während Du Deine eigenen ganz individuellen Fußspuren in dieser Welt hinterlässt?



Die Möglichkeit der eigenen Spur
liegt in Deinen Mächten nur.
Ohne Schutz und Sicherheit
den Fuß von seiner Last befreit
wird jeder Schritt die Seele nähren
und Dich des Lebens Weisheit lehren!
Jonathan von Rosenberg



der nächste Schritt…

Die Vorschau auf den nächsten Schritt möchte ich mit den Worten aus meinem persönlichen Tagebuch einleiten, welche lauten:

„DUMM! DUMM! DUMM! DUMM! DUMM!“

 

Hier lernen wir den „Fehltritt“ kennen und klären die Fragen:

  1. Warum ist die Wüste nicht der richtige Ort zum Rasenmähen?
  2. Warum ist ein Hurrican nicht der richtige Ort für Selfies?
  3. Warum sollte ein technischer Vollidiot unter keinen Umständen versuchen den frisch veröffentlichten Blog zu „verbessern“?

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4 Replies to “Der Riskante Schritt”

  1. Es ist nie zu spät liebe Oma 😉 Aber ich weiß, dass Du ja auch zu Hause gelegentlich barfuß unterwegs bist. 🙂 Aber das Barfußgehen ist auch gar nicht so wichtig. Auf’s Barfußleben kommt es an. 🙂

  2. Wieder ein super Beitrag von Euch. Wir haben herzlich gelacht, naja zwar etwas auf Eure Kosten
    aber wieder toll geschrieben, humorvoll, leicht und anschaulich. Wir haben vor unserem geistigen Auge die Moskitos förmlich auf Euch sitzen sehen. Und danke für die inspirierenden und eindrücklichen Worte, Gedanken und Ferse. Ihr macht das toll also ..Weiter so!!!!
    Liebes Grüßchen Zweidaheimgebliebene

  3. Hallo Ihr Lieben, eine super Beschreibung eurer Erlebnisse und der anderen Welt, die uns verschlossen bleibt! Leider! Macht weiter so….
    Wir wünschen noch viele schöne Erlebnisse auf eurer Reise und viel Glück.
    Freuen uns schon auf euer nächstes „Abenteuer“. Ganz liebe Grüße in die Ferne!

  4. Ich werde sicher kein Barfussgeher mehr. Das Alter und die in Eurem Blog beschriebenen Risiken und Ängste haben ein Leben lang ihren Einfluss geltend gemacht. Aber die interessanten Schilderungen über die Wirkung eines eigentlich einfachen Schrittes – die Schuhe in die Ecke zu stellen – machen sehr nachdenklich. Aber die Welt ist gefährlich und so beschränke ich mich auf das Barfussgehen auf einer grünen Wiese und der Terrasse vor dem Wohnzimmer. Manchmal auch in der Wohnung, wenn es nicht so kalt ist. Wenn es kalt ist, sind warme Socken angesagt. Doch auch hier ist das Risiko überschaubar!!! Meine Bewunderung für Euren Mut und die daraus erwachsenden Erkenntnisse aber bleiben.
    In Liebe Oma und Opa

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