Der Fehltritt

Wir befinden uns seit geraumer Zeit in Paracas. Wenn ich diesen Ort mit einem Wort beschreiben müsste, dann fiele mir nur…

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Foto: Kataleya von Rosenberg

ein. Mal ehrlich, wenn man früh morgens in seine Tasse frisch gebrühten Tee schaut und sich aufgrund des Absatzes am Tassenboden nicht mehr sicher ist, ob man schon Zucker hinzu gefügt hatte oder nicht, dann weiß man, dass hier irgendetwas grundlegend schief läuft. Generell ist an diesem Ort einfach alles mit feinstem Sandstaub bedeckt. Inklusive unserer Lungen. Das ganze äußert sich dann in sandstrahlartigen Nies- und Hustenattacken. Aber zum Glück hat man nachts beim Schlafen wenigstens etwas Ruhe vorm Sand. Ach nein! Ich vergaß! In dem Raum, in dem wir schlafen, fehlt ja das Fenster. Pech gehabt! Augen auf bei der Schlafplatzwahl Freundchen. Aber wir sollten uns mal nicht beschweren. Schließlich gab es den ein oder anderen dezenten Hinweis, der einem etwas intelligenteren Menschen ausgereicht hätte diese Probleme vorherzusehen.

Da wäre zum einen der Umstand, dass Paracas angeblich als eines der besten Windsurfgebiete Perus bekannt ist. Und zum anderen wäre da die Tatsache, dass diese Stadt gänzlich von Wüste umgeben ist. Dazu hätte man jedoch Eins und Eins zusammenzählen müssen! Und dafür hat es bei uns halt einfach nicht gereicht.
Zum zweiten wäre da der Name Paracas gewesen, welcher etwas Aufschluss hätte geben können. Denn wörtlich übersetzt bedeutet Paracas „Sandregen“. Aber hey… dafür hätte man sich ja im Vorhinein aktiv mit seinen Reisezielen  beschäftigen müssen und wo bliebe da denn bitte das Abenteuer.

Naja und dann war da zu guter Letzt das erstaunliche Gesicht des Taxifahrers, als wir ihm sagten, wir wollen gerne nach Paracas und seine darauf folgende Frage, warum wir genau an dem Tag anreisen, an dem ein Hurricane in Paracas wütet. Ja ich weiß… spätestens hier… keine Ausreden mehr!
Doch der Mensch kann sich ja bekanntlich an alles gewöhnen und so ist der Sand nach ein paar Tagen der Eingewöhnung unser treuer Freund und Begleiter geworden. Wenn man sich also früh morgens den Weg zum Ausgang freigeschaufelt und die Haare ausgesaugt anstatt gekämmt hat, dann kann der Tag ganz normal beginnen.

Wir wohnen und arbeiten in einem Eco Hostel.

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Foto: Kataleya von Rosenberg

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Foto: Kataleya von Rosenberg


Eco bedeutet, dass man zum Duschen ungefiltertes Salzwasser bekommt. Der Rest hat nur wenig mit Eco zu tun. Die Arbeiten bestehen zum Großteil aus dem Putzen und Schneiden des Gemüses, dem Reinigen der Gästezimmer, stundenlangem Abwaschen des Geschirrs oder Wäschewaschen. Ab und zu baut man auch mal einen Zaun, schmeißt Dinge von einem kleineren Müllhaufen auf einen etwas größeren Müllhaufen oder malt schwarze Plastiksäcke gelb an, damit es „schöner aussieht“.

 


Die Menschen mit denen wir arbeiten sind ebenfalls größtenteils Reisende. Mit ihnen lässt es sich sehr gut unterhalten. Leider oft nur in Englisch. Da es jedoch unser Ziel ist, nach Abschluss der 6 Monate fließend Spanisch zu sprechen, stürzen wir uns kopfüber in die Unterhaltungen mit den einheimischen Mitarbeitern und den Besitzern des Hostels. Eine Sprache zu sprechen lernt man nun einmal nur, indem man sie spricht. Und so präsentieren wir den Menschen unsere oft etwas außergewöhnlichen spanischen Wortkreationen, in der Hoffnung ihre Geduld und Fantasie ist groß genug, um sich Sinn aus dem Gestotterten zu machen. Wir haben uns schon des Öfteren mit einem herzlichen Lachen vorgestellt, wie Pablo (der Chef des Hostels) uns zum Tischeabwischen schickt, nur um uns 30 Minuten später quietschvergnügt beim Rasenmähen zu finden, weil wir ihn falsch verstanden haben. Der Gedanke wird erst dann wirklich amüsant, wenn man sich sein vor Wut blutrot anlaufendes Gesicht vorstellt, während wir ihm freudig-rasenmähend zuwinken. Denn hier gibt es im Umkreis von 50 km keinen einzigen Grashalm. Bis jetzt belief es sich jedoch zum Glück nur auf kleinere Missverständnisse. Und die gehören zum Lernen wie das Salz zur Suppe oder der Fehltritt zum Gehen.

Ach da dünkt es mir. Wahrlich war dies die Woche des Fehltritts. So sehr wir auch des Rundlaufens Freund sind, so sehr liefen wir diese Woche Runden! Strafrunden durften wir laufen. Und davon eine Menge. Wie es doch das Leben liebt den Gehenden im Kreise zu scheuchen. Da hat es der Stehende schon leichter. Scheint es ihm doch ständig, als drehe sich alles nur um ihn.


Dem Stehenden scheint es ständig, als drehe sich alles nur um ihn.


Der Gehende hat zudem noch das Problem, dass beim steten Versuche voranzuschreiten der ein oder andere Fehltritt nicht ausbleibt. Manchmal ist es nur der versehentliche Tritt auf ein spitzes Steinchen und ein anderes Mal, da tritt man schon etwas tiefer in die Scheiße.

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Foto: Kataleya von Rosenberg

Wahrscheinlich ist dies eine der einschneidensten Lektionen, die uns das Barfußgehen lehrt. Wenn wir das Risiko eingehen und den Ersten Schritt auf eigenen Sohlen (Seelen) wagen, kommt der Moment an dem wir fehltreten. Manchmal ist es nur ekelhaft, ein anderes Mal schmerzhaft. Doch in unserem krampfhaften Versuch Schmerzen zu vermeiden, vermeiden wir auch Wohlgefühl. Das Gefühl frisch gemähten Rasens unter den Füßen. Das belebende Wasser eines Gebirgsbaches. Den vom Sonnenlicht aufgewärmten Sand. Schutz vor einem Fehltritt bedeutet zeitgleich Schutz vor einem Glückstritt. Doch das soll Thema eines anderen Beitrags werden. Jetzt wollen wir gemeinsam lernen, kräftig über unsere Fehltritte lachen und aus ihnen lernen zu können.


Schutz vor einem Fehltritt bedeutet zeitgleich Schutz vor einem Glückstritt.


Und da man die Fehltritte der Anderen oft als wesentlich amüsanter einstuft, als die eigenen und sie dazu mal eine hervorragende Gelegenheit darstellen etwas dazu zu lernen, möchte ich jetzt gerne einige ganz besonders dämliche Exemplare unserer eigenen Fehltritte zur Belustigung aller preisgeben. Verbunden damit ist die tiefe Hoffnung, dass der Grad der Dummheit dieser Fehltritte hoch genug ist, um ein herzhaftes Lachen und ein geistiges Wachsen in Dir und in uns auszulösen.

Fehltritt Nr. 1

Warum eine Wüste nicht der richtige Ort zum Rasenmähen ist! 

Das ganze Ziel unserer Reise Barfuß um die Welt kann man gut und gerne im wundervollen Wort ″Entschleunigung″ zusammenfassen. Wenn ich an die letzten Jahre meines Lebens denke, dann sind es die Worte Hast und Last, welche mich am stärksten bewegen. Die Hast des Lebens und die Last des Strebens.
Dabei rede ich nicht von Hast einer Großstadt mit ihren Menschenmassen, ihrem Verkehrschaos, ihren Warteschlangen und ihrem unaufhörlichen Lärm. Ich rede auch nicht von der Last des Drucks unserer Gesellschaft immer besser, schneller, größer, stärker und reicher zu werden. Nein, es wäre zwar leicht die Verantwortung auf diese Weise abzuschieben, um mich besser zu fühlen. Doch feige und verlogen wäre es dennoch. Zugegeben, all dem wollte ich natürlich auch entfliehen, doch vielmehr habe ich jene Hast und jene Last im Sinne, welche ich mir ganz willentlich auferlegt hatte. Sehr hastig stampfte ich wie ein Esel auf dem Pfad meiner Träume, beladen mit der erdrückenden Last meiner eigenen Bestrebungen.
Doch Last und Druck an sich sind eigentlich nichts Schlimmes. Ganz im Gegenteil. Für Wachstum sind sie sogar unentbehrlich. Sie werden erst dann zur Qual, wenn man realisiert, dass die Frucht jener Last die Seele leert und nicht nährt, weil der Traum nicht aus dem eigenen Herzen kam. Dann erst wird der Druck der Last wirklich erniedrigend.


Wenn ein Weg die Seele leert
wisse das Du gehst verkehrt.
Halt ein und prüfe klug und weise
ist dies DEINE Seelenreise?



Als wir unseren Zustand realisiert hatten, mussten wir es ändern. Und eine geistige und seelische Veränderung lässt sich mit einer örtlichen Veränderung wunderbar einleiten. Also packten wir Zahnbürsten, Hüte und Herzenswünsche ein, hängten unsere Schuhe an den Nagel und machten uns auf, aus der Hast unseres städtischen Lebens, in die Ruhe der grünenden und blühenden Natur und direkt in die offenen Arme und Herzen der Einheimischen.

Wir reisten nach Lima!

War das unser Ernst? Wir meinten der städtischen Hektik entkommen zu müssen und reisen in eine Millionenmetropole. Was war denn nicht richtig mit uns? Wir wollten dem Chaos des deutschen Großstadtverkehrs entrinnen und reisten dazu in eine der größten Städte Südamerikas. Mitten hinein in eine Kultur, in der es anstelle von Verkehrsregeln allerhöchstens nett gemeinte Verkehrsvorschläge gibt. Also ehrlich… sich sein eigenes Grab zu schaufeln ist schon schlimm genug. Aber wir sind so dreist und reisen auch noch mit einem Bagger an! Doch immer mit der Ruhe. Das Elend hat noch lange kein Ende. Nachdem wir, gewieft wie wir sind, erkannt hatten, dass Lima nicht ganz unseren Zielen entspricht, beschlossen wir weiter zu reisen. Fortan ging also unsere Suche nach dem grünen Grashalm des Glücks als Symbol für Mutter Natur in all ihrer Farbenpracht und Lebensfülle. Auf auf… dachten wir uns, lass uns reisen…. 

Entlang der Westküste Perus! 

Waaaas!?! „Ihr verarscht mich doch!“, war wohl das einzige was sich Gott in diesem Moment gedacht hatte. Jap! Wir dachten es wäre eine flotte Idee auf der Suche nach Bergen, Bäumen und Bächen entlang der Westküste Perus zu reisen. Im Atlas wird dieser Teil Südamerikas üblicherweise mit dem Fachbegriff „Wüste“ bezeichnet. Ein vertrockneter Kaktus war das Grünste was wir fanden. Doch immer die positive Seite des Lebens suchend, trachteten wir nun danach unsere anderen Ziele zu erfüllen. Wenn es doch schon mit der grünenden Natur nicht hat sein sollen, dann doch wenigstens mit dem Eintauchen in die peruanische Kultur, dem Rückzug aus großen Menschenmassen hin zu kleinen einheimischen Familien und vor allem dem Erlernen der Sprache. So schwer kann es doch nicht sein. Und da wir sowieso knapp bei Kasse waren, entschlossen wir uns zu arbeiten…

In einem Hostel!!! 

Bäääääm! Wenn Dummheit weh tun würde, wir würden uns heute noch krümmen. Aber glücklicherweise schmerzt Dummheit nicht. Sie beschämt nur! Deswegen schämen wir uns jetzt lieber in Grund und Boden. Auf der Suche nach Menschenruhe, Kulturerfahrung und Sprachbegegnung wählten wir jenen Ort des Landes, an welchem kaum Spanisch gesprochen, kaum Kultur gelebt und kaum Ruhe gefunden werden kann. Doch weil es so schön war, suchten wir uns nicht irgendein Hostel aus, sondern wählten das größte Hostel in ganz Paracas! Aber auch das reichte uns noch nicht aus!

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Foto: Kataleya von Rosenberg

Da unser Drang nach Ruhe mittlerweile ins Unermessliche gewachsen war, hielten wir es für eine noch flottere Idee zu genau jenem Zeitpunkt anzureisen, in der in dieser Gegend die Qualifikation zur Rallye Dakar stattfand. Somit gesellten sich zu den regulären Gästen, den Angestellten und den 15 freiwilligen Arbeitern, zu denen auch wir zählten, noch über 300 Rallye Teilnehmer. Jackpot!
Läuft richtig gut bei uns!  

Aber wir verzagen nicht. Wenn man schon stromaufwärts schwimmt, dann doch wenigstens mit erhobenem Haupt. Man will ja schließlich sehen, was einem in die Fresse klatscht. Und so klatschte es fleißig rechts und links. Wahrlich hatte das Leben Spaß am Klatschen. Und wir? Wir alten Sadomisten hatten anscheinend großen Spaß am „Geklatscht-werden“. Anders kann man unser Verhalten nicht erklären. Wir suchten Ruhe und flogen in die Großstadt. Wir suchten Sprache und Kultur und arbeiteten in einem Hostel. Wir suchten Grün und zogen in die Wüste. Die Erfüllung der eigenen Träume und Ziele beginnt nun mal mit der Wahl der richtigen Umstände.


Die Erfüllung der eigenen Träume beginnt mit der Wahl der richtigen Umstände.


Deswegen zieht man nicht in die Wüste, wenn man das Rasenmähen liebt!

 

Fehltritt Nr. 2

Warum ein Hurricane nicht der richtige Ort für Selfies ist!

Nachdem die Kernpunkte unserer Reise buchstäblich zu Staub zerfallen waren, entschieden wir uns abermals das Beste aus der Situation zu machen und konzertierten uns auf die Arbeit am Blog. Da ich einen Teil meines kreativen Wortdurchfalls bereits zu Papier gebracht hatte, stand nun das Fotografieren im Fokus. Fotografien sind ein wichtiger Teil eines Blogs, weil sie die Essenz des Geschriebenen verbildlichen sollen. Besonders zum Untermalen der Kernaussagen und Gedichte eignet sich eine Fotografie hervorragend. Und da wir auch Instagram als Plattform zum Breittreten unserer Gedanken nutzen, kommen den Fotografien eine enorme Bedeutung zu. Jedoch widerstrebt es uns selbstverständlich „stinknormale“ Bilder zu schießen, weswegen wir des Öfteren sehr glorreiche Ideen haben. Ein Einfall der ganz besonders intelligenten Art begann mit der Frage: 

„Hey Schatz…
draußen wütet gerade ein Hurricane… was hältst Du davon ein paar Fotos zu schießen?″ 

Auf solch eine Frage kann die richtige Antwort immer nur lauten:

„Bist Du behindert oder was?!?”

Aber egal was Du antwortest, hier ist ein kleiner Tipp am Rande, im Falle des Falles Dir wird mal solch eine Frage gestellt. Die richtige Antwort lautet niemals und unter keinen Umständen: 

„Ja gerne.“.

Leider war das die Antwort die ich bekam. Minus mal Minus macht halt leider doch nicht immer Plus.

Gesagt getan! Wir machten uns also auf den Weg in die stürmische Wüste. Die Wangen aufgeblasen wie ein Hamster, Hosen und Hemden gespannt wie ein Flughörnchen und unsere Nasen direkt gen Wind gerichtet, um sicher zu gehen, dass auch jene Körperöffnung ihr faire Chance bekommt ein hübscher Sandkasten sein zu können. 

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Foto: Kataleya von Roenberg | Bearbeitung: https://pkfotografie.com

Einmal unsere Stelle der Qual erreicht, bereiteten wir Kamera und Stativ vor, frischten unsere Wimperntusche auf und flanierten die Wüste auf und ab wie zwei Supermodels.

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Foto:Kataleya von Rosenberg | Bearbeitung: https://pkfotografie.com

So sehr uns das Glück hier auch ins Gesicht geschrieben steht, so schnell nahm unsere Fotosession ein jähes Ende, als der Wind in seiner prachtvollen Stärke und mit einem hämisch lachenden Unterton, unsere Kamera samt Stativ und dem daran befestigten 15kg Gewicht (welches seine Aufgabe der Stabilisierung nicht ganz so ernst nahm) einfach um blies. Mal abgesehen von der Tatsache, dass das gesamte Unterfangen von Anfang an zum kläglichen Scheitern verurteilt war, hätten wir unser Equipment doch wenigstens in weiser Voraussicht direkt auf den Sand stellen können. Im Falle des Fallens wären so die Folgen des Falles weniger aufgefallen. Doch wir wählten als Stand- bzw. Fallort des hochempfindlichen Equipments die direkt angrenzende asphaltierte Straße. Und so schmetterte die Kamera, dem Gesetz der Schwerkraft folgend, aus ca. 1,20m Höhe auf diesen eher unnachgiebigen Boden. Das Endresultat darf gerne hier betrachtet werden. Ein halbes Kilo Sand auf den Linsen und einige hübsche Kratzer.  

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Foto: Kataleya von Rosenberg


So gerne ich auch die Schuld auf den blöden Wind, den blöden Sand, die blöde Straße, das blöde Stativ oder die äußerst verblödet Idee schieben würde… ich kann es nicht. Denn das wäre noch beschämender, als meine Dummheit an sich. Ich war es, der dieser flotte Idee hatte. Ich habe das Stativ aufgebaut und Kata’s Bedenken ignoriert. Ich habe die Straße als Standort ausgewählt. Und ich wollte unbedingt gegen denn Wind fotografieren, damit es „cooler aussieht“.  

Da in jedem Satz das Wort „Ich“ vorkommt, wird es wohl ziemlich schwer werden die Schuld irgendwo anders hinzuschieben.

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Foto: Kataleya von Rosenberg

 

Wahrlich dem Esel machte ich es gleich und schrie immer am lautesten „Ich“ als das Leben seine Extraladung Gehirnschwund zu verteilen hatte. Der einzige Unterschied zwischen mir und einem Esel bestand darin, dass ein Esel sich in den seltensten Fällen seine Last selbst aussucht. Ich hingegen wählte meine Last ganz freiwillig und mit Bedacht, was alles nur noch schlimmer macht. 

 

 

Somit standen wir nun in der stürmischen Wüste vor unserem völlig überfüllten, kulturentfremdeten Hostel im Bewusstsein dessen, dass es von nun an nicht einmal mehr möglich sein wird vernünftige Fotos für unseren Blog bzw. unsere berufliche Zukunft schießen zu können, weil Hunderte kleine Sandkörner und einige dicke Kratzer die wundervolle Aussicht versperrten.

Das Gute an der ganzen Sache ist jedoch, dass wir jetzt alle wissen, warum ein Hurricane nicht der richtige Ort für Selfies ist! 

 

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Foto: Kataleya von Rosenberg

Lieber Gehender,
auf geht es zur zweiten Runde unserer Fehltritte der letzten Wochen. Solltest Du den ersten Teil dieses Beitrags noch nicht gelesen haben, dann nimm Dir die Zeit, ihn Dir vorher zu Gemüte zu führen. Das Folgende ergibt nur dann Sinn, wenn Du den Inhalt des ersten Teils kennst.
Selbstverständlich haben wir das Beste bzw. Dämlichste bis zum Schluss aufgehoben. Tauch mit uns ein in diesen zweiten Teil und lass uns am Ende gemeinsam lernen, was die Essenz eines Fehltrittes ist und was das Leben uns damit zu lehren vermag. Doch vorher wird erstmal kräftig gelacht. Und da es sich auf fremde Kosten bekanntlich wesentlich besser lachen lässt, beginnen wir mit dem Fehltritt eines Freundes, den wir zu einem Zeitpunkt auf unserer Reise kennengelernt haben, der passender nicht hätte sein können.

Fehltritt Nr. 3

Warum sicherheitsbewusste Kinderheime und die Sucht nach Schokoladenriegeln eine ungünstige Kombination sind!

Darf ich vorstellen: Jon Watts.

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Foto: Kataleya von Rosenberg

Wir trafen Jon in einem kleinen französischen Restaurant zu einem Zeitpunkt, als dieser Beitrag schon fast fertig gestellt war. Man könnte von Zufall reden, doch ich glaube, dass die Dinge manchmal einfach genauso sein sollten, wie sie gekommen sind. Normalerweise besuchen Kataleya und ich aufgrund unseres Budgets keine Restaurants. Um genau zu sein war es das erste Mal während unserer Reise, dass wir uns dazu entschieden, jemand anderem das Kochen zu überlassen. Das Ganze geschah nicht vollkommen freiwillig, sondern wurde eher aus der Not heraus geboren. An jenem Morgen machte ich mich auf die erfolglose Suche nach Frühstück. Keiner der umliegenden Läden hatte Brot, Milch, Eier, frisches Obst oder Gemüse im Angebot. Ein paar runzlige Tomaten waren das Einzige, mit was wir uns hätten verköstigen können. Doch wenn einem der Anblick eines Lebensmittels eher an Omas runzligen Arsch, als an ein knackiges Hinterteil erinnert, dann sollte man es wohl lieber nicht als Nahrungsmittel bezeichnen. So sagt es mir zumindest meine sehr einfach gestrickte männliche Logik. Nachdem ich also vier Läden abgeklappert hatte und geistig-wild-herumfuchtelnd den Rückweg antrat, lief ich an einer französischen Brasserie vorbei, aus welcher der wundervollste Geruch von frisch zubereiteten Crêpes strömte. Dieser Geruch half mir erstaunlich gut, mein wütendes-geistiges-Herumgefuchtel zu beenden und stattdessen das Unvermeidliche zu akzeptieren. Es stand fest! Wir füllen uns bis zum Erbrechen mit Crêpes! Das Leben will es so!

Also schnappte ich mir Kata und auf ging es ins Schlaraffenland. Wir setzten uns in die, mit Holzmöbeln lieblich eingerichtete, oberste Etage der Brasserie und beobachteten, wie die Kellnerin mit den riesigsten, mit Bananen, Erdbeeren und Schokoladensauce gefüllten, Crêpes auf uns zusteuerte. Nach fünf Wochen der kulinarischen Enthaltsamkeit eine wahre Gaumenfreude. Zudem gab es auch noch frisch gemahlenen Kaffee aus einem echt italienischen Kaffeeautomaten. Eine Wohltat in einem Land, in dem trotz des Kaffeeanbaus traurigerweise der Verkauf von Nestle Instantkaffee in sämtlichen Läden und Supermärkten dominiert.
Just in jenem Moment, als unser Festschmaus begann, kam ein junger Mann die Treppe hinauf, welchen wir später als Jon kennenlernen sollten. Wahrscheinlich hätte ich das Gespräch mit ihm nicht gesucht, hätte er da nicht die unübersehbaren Merkmale eines ziemlich heftigen Fehltrittes gehabt.

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Foto: Kataleya von Rosenberg

Man lege sein Augenmerk bitte auf Jon’s obere Gliedmaßen. Korrekt! Beide Arme eingegipst. Das ist wohl der Inbegriff des Ausdrucks „arm dran zu sein“. Selbst jetzt muss ich beim Betrachten des Bildes immer noch schmunzeln. Die Fehltritte anderer erscheinen wirklich oft viel lustiger, als die eigenen. Welch interessante Rolle doch der Blickwinkel spielt. Nachdem der Drang, die Geschichte hinter den beiden eingegipsten Armen zu erfahren unüberwindbar wurde, sprachen wir ihn an. Und was er uns erzählte, war wirklich ein herzliches Lachen wert.

Jon arbeitete in einem Hostel am Colca-Canyon in Peru. Auch er bereiste Südamerika und hielt sich mit kleinen Arbeiten über Wasser. Einmal täglich schnappte er sich sein Fahrrad und sauste zum Lebensmitteleinkauf in ein naheliegendes Städtchen. Auf seinem Weg lag ein Kinderheim direkt am Straßenrand, welches er auf dem Hinweg bergauf und auf dem Rückweg bergab, passieren musste. Seit mehreren Wochen fuhr er jene Strecke und kannte sie in- und auswendig. An einem schönen Tage jedoch, entschied sich das Kinderheim kurzerhand, Kopf große Bremspoller auf der Straße aufzustellen, um die herabrasenden PKWs und LKWs, zum Schutze der Kinder, etwas zu entschleunigen. Um ehrlich zu sein, war diese Idee natürlich sehr löblich und hatte wahrlich äußerst einschlagenden Erfolg. Nur der arme Jon bzw. die Arme Jon’s ahnten auf dem Hinweg noch nichts von den Plänen des Kinderheims. Und so kam es, dass Jon, die frische Bergluft genießend, die Straße hinab sauste und die hervorragende Bremswirkung dieser Betonmasten schmerzhaft zu spüren bekam. Über den Lenker hinausschießend hatte er nun die Wahl zwischen einer lupenreinen Gesichtsbremsung oder dem Abfangen des Schwunges mit seinen Armen. Ein bisschen, wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Aber immer noch besser als gar keine Wahl zu haben. Er entschied sich verständlicherweise für seine Arme, welche jedoch nicht die erhoffte Festigkeit besaßen, als er auf den Asphalt aufprallte. Leicht benommen sich aufrappelnd, eilten sofort einige Umherstehende zu Hilfe. Noch gänzlich durch den Wind, lehnte Jon den Vorschlag einen Rettungswagen zu rufen großzügig ab. Zugegeben, wenn man schon einmal in einem Restaurant in Großbritannien gegessen hat, dann weiß man, dass ein echter Brite wesentlich Schlimmeres gewohnt ist, als zwei gebrochene Arme.
Wie dem jedoch sei, entschied sich Jon dazu wieder auf sein Fahrrad zu steigen und den Rest des Weges weiter zu rollen. Schließlich waren es nur ein paar Schrammen und ein schmerzender Ellenbogen. Erst in dem Moment, als er beim Aufstützen auf dem Lenker sein neu entstandenes Gelenk im Unterarm entdeckte, nahm er den Vorschlag des Rettungswagens dankend an. Dieser traf auch,  für peruanische Verhältnisse, relativ zügig nach ca. einer halben Stunde am Unfallort ein und brachte den armen Jon ins nächstgelegene „Krankenhaus“. In diesem Falle hat das Wort Krankenhaus, laut Jon, seine Anführungszeichen gänzlich verdient. Beim Anblick von Jon’s Armen die Hände über dem Kopf zusammenschlagend, schickten ihn die Ärzte direkt weiter in ein dafür ausgelegtes Krankenhaus. Die Fahrt über bucklige Geröllpisten fühlte sich für Jon nicht nur wie eine Ewigkeit an, sie dauert auch eine Ewigkeit. Schlappe 12 Stunden vergingen, bis zum Eintreffen im Krankenhaus ohne Anführungszeichen. Nach der obligatorischen Wartezeit kam Jon dann auch die entsprechende Behandlung zu. Das Endresultat kann man auf dem vorherigen Foto bestaunen. Doch diese Geschichte ist ohne ihr Ende nicht einmal halb so lustig. Eigentlich ist sie bis jetzt nicht einmal ansatzweise lustig, sondern einfach nur ziemlich dumm gelaufen. Deswegen machen wir schnell weiter.

Man stelle sich also vor, dass seit dem Unfall, bis zum Abschluss aller Behandlung, ca. 24 Stunden ins Land gegangen sind. Das bedeutet, Jon bekommt Hunger. Und was macht ein Mann, wenn der Magen knurrt und das Krankenhaus aufgrund der Uhrzeit gerade nichts anzubieten hat? Mann jagt sich sein eigenes Essen! Aus dem Land kommend, welches das Frittieren von Schokoriegeln erfunden hat, liebt Jon natürlich diese süßen Leckereien. Auf machte er sich also, zu seiner Schokoriegel-Jagd und wurde auch schnell fündig. Der Automat stand einsam und verlassen auf einer der anderen Etagen und war prall gefüllt. Jon warf Geld ein, drückte die gewünschte Nummer und, wie konnte es auch anders sein, der kack Schokoriegel bleibt am Ende der Förderschnecke stecken.

Strafrunde! Ganz eindeutig!

Aber wenn es um Schokoriegel geht, gibt ein Brite nicht so schnell auf. Besonders wenn er hungrig und mit zwei gebrochenen Armen in einem peruanischen Krankenhaus hockt und zudem noch mit Schmerzmedikamenten von oben bis unten zugedröhnt ist. Vorallem dieser letzte Punkt scheint einen großen Einfluss auf Jon’s flotte Idee gehabt zu haben, doch tatsächlich einen seiner gebrochenen und dick eingegipsten Arme in den dünnen Schlitz des Automaten zu stecken! Soviel sei vorweggenommen. Rein ging der Arm gut! Nur raus wollte er nicht mehr. Da hing er also, unser armer Jon! Alles was er wollte war einen Riegel aus diesem Automaten zu essen und jetzt hatte doch der freche Automat seinen Gipsarm gefressen. Welch Ironie!
Geschlagene 20 Minuten rief John auf der leeren Etage um Hilfe, bis das Pflegepersonal endlich seine Schreie hörte und ihn aus dem hungrigen Maul dieser Höllenmaschine befreite.

Und die Moral von der Geschicht: ein Gipsarm taugt zum Jagen nicht!

Hier haben wir also die Antwort auf die überlebenswichtige Frage:

Warum sicherheitsbewusste Kinderheime und die Sucht nach Schokoladenriegeln eine ungünstige Kombination sind!

Vielen Dank Jon für das offene und selbst belächelnde Teilen Deiner Geschichte.

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Foto: Kataleya von Rosenberg

Nach diesem kleinen Ablenkungsmanöver wollen wir allerdings wieder zu unseren eigenen Fehltritten zurück kommen. Ein ganz besonders dämliches Exemplar habe ich für diesen zweiten Teil des Beitrags aufgehoben. 

Wir hatten unsere zweiwöchige Arbeit in Paracas beendet und zogen nun weiter in Richtung Süden. Süden bedeutet für uns allerdings einfach noch mehr Wüste. Doch hier half jetzt auch das größte Jammern nichts! Unser Hauptziel auf dieser Reise ist das chilenische Patagonien, mit seinen grünen Wäldern, Vulkanen und schneebedeckten Bergen, welches sich am aller südlichsten Ende Chiles befindet. Und somit hieß die vorgegebene Richtung nun einmal Süden. Da man mit einem Budget von 7 € pro Tag pro Person selbst in Peru sehr gut wirtschaften muss, wenn man davon sämtliche Reisekosten wie Verpflegung, Transport, Unterkunft und ungeplante Extraausgaben (das Reparieren eines Kameraobjektivs) bestreiten will, kamen wir nicht umhin uns wieder Arbeit in einer größeren Stadt zu suchen. Die einzige Zusage, die wir bekamen, war (wer hätte es auch anders gedacht) von einem Hostel!
Wie gesagt, dass Leben liebt es den Gehenden Strafrunden laufen zu lassen.
Und weil es so schön war und wir mit dem Sand eine so innige Beziehung aufgebaut hatten, stand das Hostel in Nazca. Für alle, denen Nazca kein Begriff ist, lässt sich die Region sehr treffend anhand ihres ursprünglichen Namens beschreiben. Denn früher hieß sie „Nanasqua“. Übersetzt bedeutet es «Tal der Trauer»! Das erfuhren wir vom Besitzer des Hostels, in dem wir arbeiten durften. Er hatte sich interessanterweise dazu entschieden, sein Hostel genauso zu nennen. Er erklärte uns auch, warum diese Region so getauft wurde. Ganz einfach! Jeder Neuankömmling, der sich hierher verirrte, musste sterben. Warum? Weil es hier so trocken ist, dass es für einen Ortsunkundigen nicht möglich ist Wasser zu finden. Eine sehr ermunternde Geschichte. Damit jedem die Ironie dieser Situation wirklich klar wird, will ich kurz resümieren. Nachdem wir lernten, dass die Wüste anscheinend nicht der richtige Ort für unser Bedürfnis nach „Rasenmähen“ war, verschlug es uns vom Ort »Sandregen« in das »Tal der Trauer«. Das ist ziemlich eindeutig Strafrunde Nr. 1. Und nachdem wir gelernt hatten, dass ein Hostel für unsere Bedürfnisse nach Menschenruhe, Kulturerfahrung und vor allem Sprachbegegnungen nicht der richtige Ort ist, kam die einzige Zusage für Arbeit selbstverständlich von einem Hostel. Ganz klar Strafrunde Nr. 2. Doch es wird noch besser!

Fehltritt Nr. 4

Warum sollte ein technischer Vollidiot unter keinen Umständen versuchen, den frisch veröffentlichten Blog zu „verbessern“?

Zwischen unserem Umzug von »Sandregen« ins »Tal der Trauer« machten wir einen kurzen Zwischenstopp in Huacachina. Direkt an die Wüstenstadt Ica angrenzend, ist Huacachina eine bilderbuchähnliche Oase. Sie besteht aus einem kleinen See, welcher umringt ist von Palmen und gelben Sandbergen.

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Foto: Kataleya von Rosenberg | Bearbeitung: https://pkfotografie.com

Nach der Tristheit der letzten Wochen war dieser Anblick wirklich erhebend. Zum ersten Mal seit einem Monat erblickten unsere Augen endlich wieder Bäume und Blumen. Wir genossen den restlichen Sonnenuntergang, bereiteten unser Abendessen zu und aßen in aller Ruhe. Da wir die vorhergehenden Tage in Paracas, aufgrund technischer Probleme, kaum Internet zur Verfügung hatten, wurde es höchste Zeit den letzten Feinschliff an unserem Blog vorzunehmen, bevor er endlich zum ersten Mal online gehen konnte. Auch auf diesem Weg gab es viele Fallstricke, in die wir nichts ahnend hinein rannten, weswegen sich die Veröffentlichung des ersten Beitrags ziemlich hinausgezögert hatte.

Für uns persönlich hängt sehr viel am Gelingen des Blogs. Wie wir im Abschnitt „Über Uns“ kurz erklären, soll der Blog unser eigener Erster Schritt in eine neue Zukunft sein. Ich persönlich liebe neben dem „dummen Rumgequatsche“ besonders das Schreiben. Sprache, Reden, Lesen, Erklären, Dichten, Denken und Schreiben waren schon von klein auf meine Leidenschaften. Ich mag Poesie genauso sehr, wie das vulgäre direkte Wort. Alles hat nun einmal seinen Platz im Leben und seine eigene Kraft und Schönheit. Ein gutes Buch und ein frisch gemahlener Kaffee sind normalerweise alles, was ich zum Glücklichsein brauche. Auf dieser Reise habe ich jedoch striktes Buchverbot! Es ist an der Zeit, fremde Gedanken gegen eigene einzutauschen. Es ist Zeit für den Ersten Schritt.

Für Kataleya ist die Bezeichnung „Kreative Seele“ die wohl passendste. Kreativität in ganz praktischer Form ist ihre Art der Kommunikation mit ihrer Umwelt. Sie redet von Natur aus gerne wenig, aber liebt das Beobachten und das Schaffen umso mehr. Egal ob es sich um das Spielen mehrere Instrumente, das Designen und Schneidern unserer kompletten Garderobe, das Pflegen hunderter Zimmerpflanzen, das Anbauen von Obst, Gemüse und Kräutern oder das Zeichnen, Töpfern und Fotografieren handelt. All das sind Wege, in denen Kata sich und ihr Wesen in diese Welt bringt und sie bereichert.

Somit scheint es nicht fernab, dass sich meinen Drang zum kreativen Wortdurchfall und Kataleya’s Drang zum kreativen Gestalten wundervoll im Rahmen eines Blogs verschmelzen lassen. Die Worte, die Bilder und das Design sollen in eins gegossen dieselbe Sprache sprechen. Es geht uns um die Harmonie zwischen Wort und Bild, mit dessen wir uns über diese lange Entfernung und durch diese sehr technische Weise ausdrücken und letztendlich verwirklichen wollen. Für uns hing also sehr viel an diesem Blog auf unserer Reise Barfuß und die Welt.

Insgesamt hatten wir bis zu diesem Zeitpunkt in Huacachina etwa 8 Wochen Arbeit in den Blog investiert und hatten am Morgen jenes Tages endlich die Editierung des ersten Beitrags beendet. Gespannt auf die ersten Meinungen, schickten wir den Link umgehend an eine ausgewählte Gruppe sehr nahestehender Menschen. Diese bestand aus Familie und engen Freunden. Sie bekamen die Aufgabe den Blog, den Text, die Fotos und die Newsletteranmeldung auf Herz und Nieren zu prüfen. Wir erhielten relativ schnell positives Feedback und begannen sofort mit dem öffentlichen publizieren des Links zum Blog. Dafür schrieben wir viele Freunde persönlich an, da wir uns ein direktes Feedback wünschten und teilten den Link außerdem auf einigen sozialen Netzwerken für jedermann sichtbar. Die Arbeit war getan! Die Mühe der letzten Monate hatte sich gelohnt! Jetzt konnten wir beruhigt in unseren wohlverdienten Schlaf entsinken… Dachten wir! Wenn da nicht der Jonathan mit seinen flotten Ideen wäre!

Wenn man nach einem langen und anstrengenden Tag, gegen 21 Uhr abends die Worte: „Ich möchte nur noch diese eine kleine Sache machen” aus sich herauskommen hört, sollte die Person, die hinter einem steht, das Recht besitzen, das kluge Köpfchen vor ihr ordentlich mit der dicksten auffindbaren Bratpfanne zu malträtieren, um großes Unheil zu verhindern. Leider war alles, was Kata gerade zur Hand hatte, ein hölzerner Suppenlöffel, welcher gegen meinen Dickschädel leider keinerlei Chance hatte. Und so machte sich der Technik-Idiot, der von Tuten und Blasen im Umgang mit dem ganzen Computerzeug keine Ahnung hat, völlig übermüdet ans Werk, um nur noch diese eine kleine Software zu installieren.
Und wie ich sie installiert habe! Direkt und unwiderruflich über unsere Hauptdomain (die Internetseite auf der sich der Blog befindet) habe ich sie installiert! Mir, aufgrund der reibungslos verlaufenen Installation, stolz auf die Brust schlagend wie ein Gorillamännchen, welches gerade entdeckt hat, dass sein kleiner Plüsch-Piephahn da unten nicht nur zum Bäume und Steine anpinkeln nützlich ist, fuhr ich fort unseren Blog noch einmal aufzurufen, bevor wir ins Bett gingen. Und siehe da……

Dödööööö!

Alles was uns anblickte, war das Logo der so hervorragend installierten Software! Komischerweise half auch das zehnmal aufeinanderfolgende Eingeben der Internetadresse nichts. Der Blog wollte sich einfach nicht mehr blicken lassen. Zu meiner Überraschung schien auch wütendes Schreien, ängstliches Kreischen und zorniges Herumfuchteln keinerlei Effekt zu haben. Ich probierte es sogar mit wilden Beschimpfungen. Das muss doch helfen! Aber nein! Es regte sich nichts. Der Blog war weg! Nur wenige Stunden, nachdem wir ihn nach acht Wochen Arbeit fertig gestellt und veröffentlicht hatten, habe ich ihn mit einem Klick der Dummheit gelöscht! Das war wirklich mein absolutes Meisterstück des geistigen Flachlandes! Und während Kata die Ruhe selbst blieb und mich fleißig mit dem Suppenlöffel malträtierte, um mich wieder zur Vernunft zu bringen, da kam mir doch tatsächlich die rettende Idee. Oder so dachte ich zumindest. Aufgrund der späten Uhrzeit die gesamte Installationsanleitung ignorierend, habe ich wenigstens einen einzigen Punkt wahrgenommen. Ich hatte vor der Installation ein Backup angelegt! Yeeeaaaah… ich bin ein Genie! Sofort begann ich also wieder mit dem verblödeten Brustgetrommel und rühmte mich meiner Voraussicht! Doch nichts war’s Freundchen! Was macht das Leben mit dem Gehenden? Und besonders dann, wenn sich der Gehende auch noch äußerst dämlich anstellt und sämtliche Warnungen der Partnerin und des Lebens ignoriert? Es schickt ihn Strafrunden! Die Backup-Datei war beschädigt. Mit keinem Programm der Welt konnte sie entpackt werden. Der Blog war futsch!

Zu guter Letzt kontaktierte ich noch meine Cousine, welche sich ebenfalls mit ihrem Blog auf Reisen befindet und ähnliches schon einmal durchgemacht hatte. Mehrere Stunden lang versuchten wir das Problem zu lösen, doch der Knoten zog sich nur noch fester. Als ihr Wecker klingelte und sie „aufstehen“ musste, entschieden wir uns an dieser Stelle weitere Rettungsversuche sein zu lassen. (Vielen Dank nochmal dafür Nancy :-*)

Da standen wir also, mit der Flut der Fehltritte der letzten Wochen plötzlich auf uns einbrechend. Kein Blog mehr. Keine Kamera mehr. Kaum Sprache gelernt. Kaum Kultur erfahren und die Nase gestrichen voll vom Wüstensand.

Vielleicht kann man gut nachempfinden warum wir nach all diesen Fehltritten plötzlich an dem Punkt angekommen waren, an dem wir einfach stehen bleiben wollten. Wir hatten weder die Lust noch die Energie auch nur einen einzigen weiteren Schritt zu gehn. Wir waren müde und ausgelaugt, enttäuscht und wütend und alles, wonach wir uns sehnten war stehen zu bleiben. Und da es bereits weit nach Mitternacht war, entschlossen wir uns, um unserer körperlichen Gesundheit willen, uns wenigstens waagerecht ins Bett zu stellen, um ein paar Stündchen Schlaf zu bekommen. Doch mein Verstand der hielt vom Stillstand nur sehr wenig. Eigentlich hielt er gar nichts davon. Es schien, als hätte er plötzlich sein Talent als Langstreckensprinter entdeckt. Denn mit einer Geschwindigkeit, die jeden Supercomputer in Staunen versetzt hätte, rasten stundenlang jene Gedankengänge durch meinen Kopf, welche man wohl als dezent destruktiv hätte bezeichnen können. Zumindest enthielten sie alle die Worte „Idiot“ und „dümmer-als-dumm“. Und genau in diesem Moment hörte ich eine Stimme aus meinem Inneren, welche mir nur allzu bekannt erschien, denn in den vergangenen Jahren hatte ich sie erschreckend oft gehört. Diese Stimme tragen wir alle in uns, doch meist sind wir uns dessen nicht bewusst. Sie kommt immer dann, wenn wir uns an einem Scheidepunkt befinden. Und zwar an jenem Punkt, an dem wir die Wahl zwischen Stehen oder Gehen haben. Genau in dieser winzig kleinen Lücke, diesem Moment der Entscheidung, wenn wir denken es geht nicht mehr, genau dann hat Er seine Chance und säuselt uns liebliche Worte der Ruhe ins Ohr. Und wir Idioten halten es für unsere eigenen plausiblen Gedanken.
Und umso schneller meine Gedanken also rasten, umso mehr wuchs mein Bedürfnis nach Ruhe. Warum willst du unbedingt diese ganzen Sprachen lernen?, fragte ich mich. Warum das stundenlange Geschreibe, das mühsame Arbeiten am Blog, das endlose Fotografieren? Wozu der ganze Stress? Du sollst doch einfach nur reisen und genießen! Lass es sein! Hör auf! Du hast jetzt die Chance Dich von all dem zu befreien. Vielleicht hat es einfach nicht sein sollen. Ich spürte eine ungeheure Erleichterung bei dem Gedanken, dass ich jetzt die Wahl hatte einfach stehen zu bleiben. Doch bei den Worten „stehen bleiben” schoss mir abermals mein ganzes vorheriges Klugreden durch den Kopf. „Stehst du oder gehst du?” hatte ich Dich, lieber Leser, einst gefragt. Und nun stellte ich mir selbst jene Frage. Was will ich? Was wollen wir? Stehen oder gehen? Und es war just in diesem Moment, als ich den wahren Verfasser der zuvor so lieblich gesäuselten Worte der Ruhe und des Stillstands erkannte……


So hörte ich ihn rufen
tief aus meiner Brust
„Komm her und stell dich zu mir
wozu der ganze Frust?”

Doch Schauder überzog mich
beim Klange seines Ruf’s
war’s doch ein Altbekannter
den ich einst selbst erschuf!

Die Worte immer lieblich
aus seinem bitt’ren Mund
war dieser Altbekannte
mein eigener innerer Schweinehund!

„Halt ein, bleib steh’n und setz dich!”
rief’s in süßem Ton

„Das Leben mag das Gehen nicht
das Leben mag Dich schonen.”

Doch Lug und Trug erkannt ich
aus des Heuchlers Maul

ist doch an seinen Früchten
immer etwas faul.

Drum gebot ich keinen Einhalt
meinem steten Schritt

und gab mir selbst am Arsche
einen zähen Tritt.

„Halt ein, bleib steh’n und setz dich!”
rief es abermals

„Erscheint’s Dir nicht entsetzlich
des Gehens Höllenqual?”

„Verschwind geschwind du Schweinehund”
schrie’s plötzlich aus mir raus.
„Das Gehen ist des Lebens Grund
und ohne wär’s ein Graus!”

„Verschwind geschwind du Lügenhund
denn weiter will ich gehen
so will’s in mir mein Lebenswerk
vollendet will’s sich sehen.”

„Und keines Deiner Höllenfeuer
schmilzt meines Willens Stahl.
Mein Wille ist dein größter Feind
denn er ist Herr der Wahl.”

„Drum werd ich diese Runden gehen
bis an mein letzten Tag.
Dein Stehen jedoch du Schweinehund
bekam schon längst dein Sarg.”
(Jonathan von Rosenberg)


So verlief also die Unterhaltung mit unserem Stehenden, unserem Inneren Schweinehund.

Ich glaube wir alle  tragen diesen inneren Schweinehund in uns.
Doch das ist nicht schlimm. Vielleicht muss es sogar so sein! Schließlich ist die süße Verlockung des Stehenbleibens, in jenen Momenten, in denen wir viel getreten sind, eine wundervolle Prüfung unseres Willens und unseres Warum’s! Immer dann, wenn es brennt und schmerzt und unser Stehender uns einlädt sich zu ihm zu gesellen, schenkt er uns die Möglichkeit den Sinn unserer eigenen Reise und der hinterlassenen Spuren zu überprüfen. Und nur jene Spur wird überleben, welche direkt aus unserer Seele kommt. Diese Seelenspur wird unser Lebensweg.

                        Wenn das Gehen sich füllt mit Schmerz
                        Und nichts scheint als ob es liefe,
                        Kommt der Moment der prüft dein Herz
                        Und deines Sinnes Tiefe!
                                       (Jonathan von Rosenberg)

Oft beschlich mich in der Vergangenheit das Gefühl, dass unsere Haltung bezüglich des Fehltretens, des Fehlermachens, an sich fehlerhaft ist. Wie paradox scheint es doch, dass wir in unserer Strebenskultur, in der wir uns meist dazu veranlasst sehen über andere hinauszuwachsen, uns des wichtigsten Wachstumsimpuls berauben? Dem Fehlermachen! Noch viel paradoxer erscheint die Tatsache, dass jene unter uns, welche sich einst zum Ziel setzten, am höchsten hinauszuwachsen, oft die größten Probleme mit dem Fehltreten haben. Anscheinend trägt der Drang nach Perfektion den Perfektionismus in sich.


Der Drang nach Perfektion trägt den Perfektionismus in sich.


In Wahrheit ist das Wachsen die einzig notwendige Reaktion auf unsere Fehltritte. Und es ist alles, was das Leben von uns verlangt. Wir begehen einen Fehler, wir lernen daraus und wachsen dadurch. Und das nächste Mal machen wir es besser. Ganz simpel. Es braucht keine Tränen, keine Wutausbrüche, keine Enttäuschung. Diese Emotionen sind vollkommen normal und helfen sogar die gelernte Lektion zu festigen, aber sie sollten nie das Ende eines Fehltrittes sein, sondern höchstens ein Teil dessen. Der Fehltritt zeigt uns, sowohl beim Barfußgehen, als auch im Leben, wo etwas schief läuft bzw. wo wir schief laufen. Und er hilft uns wieder auf die rechte Spur. Doch nur wenn wir die Größe besitzen, aus unseren Fehlern zu lernen. Diese Größe besitzt man nur, wenn man weiß, dass das Fehltreten ein unabdingbarer Teil des Gehens ist. Wer geht, macht Fehler. Und nur wer Fehler macht, erwirbt sich das Recht und die Möglichkeit zu wachsen.


Nur derjenige, der Fehler macht, erwirbt sich das Recht und die Möglichkeit zu wachsen.


Bei dieser Art des Wachstums wächst man nicht über andere, sondern nur über sich selbst hinaus.

Die einzig wahre Art des Wachsens, ist das ›Über-sich-selbst-Hinauswachsen‹.
Alles andere ist Größenwahn!

Lasst uns also aus Liebe zu uns selbst, die Haltung bezüglich unserer eigenen Fehler und der Fehler der Anderen ändern. Dazu müssen wir unsere Fehler weder verteufeln, noch müssen wir sie provozieren. Alles was wir tun müssen, ist zu gehen. Unseren eigenen Lebensweg müssen wir gehen, mit all seinen Risiken und Unebenheiten. Dann kommen die Fehler ganz von alleine. Und wir bekommen die Chance, jeden Tag ein wenig mehr über uns hinauszuwachsen.

Für jene also, welche sich im Sinne des Lebens zu den Wachsenden zählen, sollen folgende Zeilen sein.



Das Leben kennt den Fehltritt nicht
Denn alles was es liebt ist Gehen.
Um Deine Fehler schert’s sich nicht
Nur wachsen will’s Dich sehen!
(Jonathan von Rosenberg)



 

Hier haben wir nun einen kleinen Ausschnitt unserer dümmsten Fehltritte geteilt und wir hoffen inständig, dass der ein oder andere aus unseren Fehlern lernt und sich die Lektionen, welche uns das Leben in Form von Strafrunden erteilt hat, zu Herzen nimmt. Im nächsten Schritt werden wir unsere Reise in Peru zu Ende gehen lassen und die gemachten Erfahrungen und Eindrücke resümieren. Außerdem werden wir auflösen, wie wir die zahlreichen Fehltritte lösen konnten.

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Bis bald,

Kataleya und Jonathan